Klirrarmer Zweitongenerator
Erstellt: DL6GL, 29.10.2016, letzte Änderung
Die Untersuchung des Intermodulationsverhaltens eines TX ist mit einem Zweitongenerator komfortabel anzustellen. Ein Spektrumanalysator wird noch dazu gebraucht, doch das wird eine weitere Geschichte. Zwei Varianten eines Zweitongenerators mit Klirrfaktoren deutlich unter 0,01% werden hier vorgestellt.
Die zwei Töne, zumeist ca. 700 und 1.900 Hz, d.h. jeweils etwa 400 Hz von den Grenzen des Durchlassbereichs eines SSB-Filters entfernt, werden zu zwei HF-Frequenzen je Seitenband moduliert. Zunächst der Einfachheit halber nur mit einer NF-Frequenz:
Abb. 1: Modulation einer Audiofrequenz in das untere und obere Seitenband.
Ein Zweiton-Audiosignal sieht etwa so aus, berechnet mit Excel:
Abb. 2: Zweitonsignal 700 + 1.900 Hz.
Das DSB-Zweitonsignal nach Mischung mit der HF zeigt sich auf dem Scope wie in Abb. 1, links unten.
So sähe es dann als Spektrum aus:
Abb. 3: Modulation eines Zweitonsignals in das untere und obere Seitenband.
Schön wär's. Kein Modulator/Mischer, auch keine PA, arbeitet so fehlerfrei linear. Deren gekrümmte Kennlinien produzieren unerwünschte Intermodulationsprodukte aus den Mischfrequenzen, etwa f0-f1 und f0-f2 im unteren Seitenband. Davon mehr an anderer Stelle zu den Messergebnissen am TX. Hier festzuhalten ist, dass wir (zumindest) zwei Modulationsfrequenzen brauchen, die der Zweitongenerator bereitzustellen hat. Um die Auswertung im Spektrumanalysator nicht noch durch weitere, nicht im zu vermessenden TX entstandene Geisterfrequenzen zu erschweren, sollten die Zweitonsignale möglichst sauber sein, also ohne Oberwellen, anders ausgedrückt, mit einem geringen Klirrfaktor.
Damit der gesamte TX einschließlich Tonaufbereitung und Modulation beurteilt werden kann, verwenden wir einen NF-Generator, angekoppelt an den Mikrofoneingang. Die beiden NF-Frequenzen sollen nicht in einem harmonischen Verhältnis stehen, etwa 2:1 oder 3:4, sonst könnten ggf. sich überlagernde Intermodulationsprodukte nicht mehr im Spektrum unterschieden werden.
Eine weiterführende Diskussion zu verwendender Tonfrequenzen und die Anwendung bei der Intermodulationsmessung am TX ist hier zu finden.
1 Wien-Robinson-Oszillator
Die nach dem Physiker Max Wien benannte Brückenschaltung besteht in einem Zweig aus einem Hoch- (R1, C1) plus Tiefpass (R2, C2) = Bandpass und im anderen aus einem Spannungsteiler (R3, R4).
Die Wien-Brücke aus dem Jahr 1891 (!) diente der Messung von Kapazitäten. Mit einem Oszillator hatte Herr Wien damals noch nichts im Sinn. Als Verstärker geeignete Elektronenröhren wurden erst zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts erfunden. Operationsverstärker kamen dann eine ganze Weile später, zunächst mit Röhren, in den 1950er Jahren mit Transistoren, integrierte wie der µA709 in den 1960er Jahren.
Abb. 4: Wien-Brücke mit OpAmp.
Manch ein englischsprachiger Autor dichtet das Gebilde um in "Wein bridge". Es ist zum weinen. Das hat Max Wien nun wirklich nicht verdient.
Der Bandpass R1, C1, R2, C2 im positiven Rückkopplungszweig (Mitkopplung) bestimmt die Schwingungsfrequenz. Für die aus R1 und C1 sowie aus R2 und C2 sich ergebende Resonanzfrequenz wird die Phasenverschiebung zwischen OpAmp-Ausgang und nicht invertierendem Eingang Null. Eine anhaltende Schwingung wird durch die Verstärkungseinstellung mit R3, R4 im negativen Rückkopplungszweig (Gegenkopplung) hergestellt. Der Berechnungsvorgang wird z.B. in [2] gezeigt.
Für eine ausgeprägte Resonanz sollten R1 und R2, insbesondere die i.d.R. stärker streuenden C1 und C2, auf wenige Prozent Abweichung ausgemessen werden. Identische Werte für R1 und R2 sowie C1 und C2 sind nicht zwingend. Solange die Resonanzbedingung eingehalten wird, die sich aus R1*C1=R2*C2 ergibt, kann die Schaltung eine Schwingung erzeugen, wenn die Rückkopplungsbedingung R3/R4 wie in Abb. 4 entsprechend eingestellt wird.
Zumeist werden R1=R2 und C1=C2 eingesetzt, wodurch das Verhältnis R3/R4 geringfügig größer als 2 zu wählen ist. Bei festem R3 lässt sich das Schwingverhalten mit einem Trimmer für R4 einstellen. Diese Einstellung ist jedoch kritisch. Ist R4 ≥ R3/2 (Verstärkung ≤ 3) tut sich nichts. Ein wenig weiter gedreht mit R4 < R3/2, setzt die Schwingung sofort ein und der OpAmp geht in die Begrenzung mit einem miserablen Klirrfaktor. Eine stabile Einstellung irgendwo dazwischen mit einem geringen Klirrfaktor ist mit der einfachen Schaltung nach Abb. 4 schlechterdings unmöglich. Es muss eine automatische Verstärkungsregelung her.
2 Verstärkungsregelung mit einem JFET
Im Internet wird man schnell fündig zu funktionsfähigen Zweitongeneratoren nach dem Wienbrückenprinzip. Zumeist werden Schaltungen mit einem JFET als Verstärkungsregler an Stelle von R4 in Abb. 4 verwendet. Eine altertümlich erscheinende Variante, die aus der Masterarbeit an der Stanford University von William Hewlett 1939 zu dem ersten erfolgreichen Produkt von Hewlett Packard, dem HP Model 200A Audio Oscillator [9] führte, fristet anscheinend nur noch ein Schattendasein. Zu Unrecht. Mehr dazu im nächsten Abschnitt.
Der "Very High Quality Two Tone Oscillator" von VK5JST [3] mit einem gemessenen Spektrum hatte es mir angetan. Er wurde zunächst ohne Veränderung aufgebaut und getestet. Platinenlayout des Mustergerätes im Download.
Auffallend am Design der RC-Mitkopplung über den Bandpass R1-C1-R2-C2 ist das Verhältnis 10:1 der betreffenden Bauteilwerte. VK5JST war unglücklich mit der Auslegung R1=R2 und C1=C2, somit Gesamtverstärkung ca. 3, siehe Formeln in Abb. 4. Hiermit müssen 1/3 der Ausgangsamplitude an den invertierenden OpAmp-Eingang (Gegenkopplung) und der gleiche Betrag über den Bandpass an den nicht invertierenden Eingang zurück geführt werden. Dieser hohe Spanungshub könnte für den OpAmp nur schwer linear zu verarbeiten sein, so dass Verzerrungen zu befürchten sind. Ebenso bekommt die Drain-Source-Strecke des JFET-Reglers Linearitätsprobleme über den großen Regelbereich. Die 10:1-Auslegung in der Brücke hat zur Folge, dass das Widerstandsverhältnis in der Gegenkopplung (R3 / R4 plus D-S-Strecke des JFET) 20:1 sein muss, die Verstärkung also geringfügig über 21 liegt. Im gleichen Verhältnis reduzieren sich die Spannungen an den OpAmp-Eingängen, was geringere Verzerrungen erwarten lässt.
Abb. 5: Zweitongenerator nach VK5JST.
Der Kippschalter mit Mittenstellung an den Anschlüssen 16 bis 18 deaktiviert wahlweise einen OpAmp, in Abb. 5 den für 1.900Hz. In der Mittenstellung sind beide aktiv (Zweiton). Mit P1 wird die Balance der beiden Signalamplituden für die Darstellung im Spektrumanalysator eingestellt. IC1b stellt eine um die virtuelle Masse +4,5V symmetrische Betriebsspannung bereit.
Zur Dimensionierung der RC-Glieder in der Wien-Brücke und der Gegenkopplung nach den Formeln in Abb. 4 gibt es im Download ein Excel-Sheet.
Zwei Töne zu erzeugen ist ja noch die leichtere Übung. Ob sie tatsächlich sauber sind, offenbart erst eine Darstellung des Frequenzspektrums. Darauf verzichten viele Autoren im Web. Dabei ist es so einfach mit frei verfügbaren Programmen. Hier wurde der Audio Analyser [4] von Sebastian Dunst verwendet. Ein richtig nettes Programm für die PC-Soundkarte, dazu kostenlos. Ein weiteres kostenloses Programm von DG8SAQ ist unter [5] zu finden. Danke an die Entwickler.
Zu beachten ist, die Soundkarte nicht zu übersteuern, wodurch diese ihrerseits zusätzlichen Klirr erzeugen würde. Die Eingangsspannung sollte ca. 500mVpp nicht übersteigen. Die Balkenanzeige im Audio Analyser sollte also -10dB nicht überschreiten.
Abb. 6: 721Hz-Spektrum der Schaltung nach Abb. 5.
Abb. 7: 1.916Hz-Spektrum der Schaltung nach Abb. 5.
Frequenz | Grundwelle | 1. Oberwelle | ||
---|---|---|---|---|
721Hz | -23,3dB | -89,4dB | -66,1dBc | k=0,050% |
1916Hz | -23,1dB | -94,9dB | -71,8dBc | k=0,026% |
Für den Anfang schon ganz gut. Optimierungen mit R2 bzw. R10 (Abb. 5) verbesserten den Klirrfaktor noch einmal um fast eine Zehnerpotenz.
Abb. 8: 721Hz-Spektrum optimiert.
Abb. 9: 1.916Hz-Spektrum optimiert.
Die dominante erste Oberwelle ist nun ins Rauschen abgetaucht.
Frequenz | R2/R10 | Grundwelle | 1. Oberwelle | ||
---|---|---|---|---|---|
721Hz | R10=35,3k | -26,1dB | -107,7dB | -81,5dBc | k=0,008% |
1916Hz | R2=36,1k | -24,4dB | -109,6dB | -85,2dBc | k=0,005% |
Die Angaben für R2/R10 sind nur Anhaltswerte. Sie sind abhängig vom Verhalten der Drain-Source-Strecke der verwendeten JFETs. Diese, T1 und T3, sollten auf möglichst gleichen Durchgangswiderstand selektiert werden.
Abb. 10: Selektieren der JFETs.
Die vorab mit Trimmern bestimmten Werte für R2/R10 lassen sich auf der Musterplatine durch Parallelschaltung von je zwei Widerständen als Sandwich verlötet herstellen. Übertreiben im Hinblick auf einen möglichst kleinen Klirrfaktor sollte man allerdings nicht, da sonst Regelschwingungen einsetzen können. Diese würden im TX zu einer Amplitudenmodulation führen.
Der Klirrfaktor berechnet sich für die 1. Oberwelle (ak negativ, obige dBc) zu
Bei Speisung aus einer 9V-Batterie liegt der Stromverbrauch bei ca. 8mA. Die Ausgangsspannung von IC1a und IC1d beträgt je nach Verstärkungseinstellung mit R2/R10 bei 0,8 bis 1Vpp.
3 Die Hewlett'sche Lampenregelung
Werner Schnorrenberg, DC4KU, zeigt in [6], dass die "altbackene" Regelung mit einer Glühlampe als PTC-Regler sensationell gute Klirrfaktoren von 0,003% erreichen kann, nachdem er an Regelungen wie oben beschrieben wenig Gefallen fand. Das wollte ich auch mal sehen. Übrigens, die Glühlampe ist weit davon entfernt zu glühen. Sie glimmt nicht einmal. Der Glühfaden verändert je nach eingeprägtem Strom seinen Widerstand, zunehmend mit höherem Strom. Eine Kennlinie liefert Werner in [6] gleich mit. Der Gesamtstromverbrauch in meinem Versuchsaufbau liegt bei ca. 5mA mit 9V Gesamtspannung einschließlich Symmetrierung um eine virtuelle Masse wie oben in Abb. 5 mit einem zweiten TL081.
Abb. 11: Wien-Brücke mit Lampenregelung.
Zunächst wurde mit R2=410Ω gemessen, Werner schlug 430Ω wie in [7] vor.
Abb. 12: 710Hz-Spektrum der Schaltung nach Abb. 11.
Die Oberwellen sind deutlich sichtbar. Verstärkung zu hoch, R2 zu groß.
Abb. 13: Optimiertes Spektrum mit R2=395Ω.
Frequenz | R2 | Grundwelle | 1. Oberwelle | ||
---|---|---|---|---|---|
710Hz | 410Ω | -24,1dB | -74,2dB | -50,1dBc | k=0,313% |
710Hz | 395Ω | -24,7dB | -107,4dB | -88,7dBc | k=0,007% |
Der Gesamtklirrfaktor aus allen Oberwellen (Abb. 12) in der ersten Tabellenzeile ist deutlich höher.
Für 1.900 Hz sind mit Optimierung sogar noch etwas bessere Ergebnisse zu erwarten.
Die Abweichung zu Werners Angaben bzgl. R2 ist mit Sicherheit auf unterschiedliche Lampendaten zurückzuführen. Eine Optimierung mit R2 ist daher immer notwendig. Wenn der Oszillator gar nicht schwingt, ist R2 zu klein. Auch hier kommt es auf das Verhältnis von R2 zum Lampenwiderstand an.
Die Ausgangsspannung liegt je nach Verstärkungseinstellung mit R2 zwischen 3,5 und 4Vpp. Zur Vervollständigung der Schaltung ähnlich Abb. 5 sollte IC1c wegen der deutlich höheren Ausgangsspannung als Spannungsfolger geschaltet werden. Die Spannungsteiler hinter P2 sind entsprechend für den TRX-Mikrophoneingang umzudimensionieren.
Mit den hier gezeigten Ergebnissen verliert das in Abschnitt 2 zitierte Argument von VK5JST in Bezug auf die hohen Eingangsamplituden (gemessen ca. 1,3 bis 1,4Vpp) und dadurch eventuell hervorgerufene Nichtlinearitäten im OpAmp seine Berechtigung. Für die Aussteuerbarkeit der Drain-Source-Strecke des JFET mag das aber möglicherweise zutreffen. Getestet wurde es hier nicht.
In beiden Fällen sollte der Zweitongenerator aus einer 9V-Batterie und nicht aus einem Netzteil versorgt werden. Zur Vermeidung von Einstreuungen gehört die ganze Schaltung in ein Metallgehäuse, siehe Aufmacherbild oben.
Vom Aufwand her betrachtet ist die Lampenregelung nach Mr. Hewletts Patent von 1939 schon eine clevere Lösung. Nach den beschriebenen Optimierungen der Verstärkungsregelung sind beide von den Daten her gleichwertig. Bei näherer Betrachtung zeigt sie jedoch Schwächen:
- Die Glühwendel ist empfindlich gegen Erschütterungen (Mikrofonie),
- sie reagiert ebenso empfindlich auf äußere Temperaturschwankungen, beide mit merkbaren Amplitudenänderungen. Klar, die Glühwendel dient ja als über den Lampenstrom temperaturabhängiger Regelwiderstand.
- Durch das träge Regelverhalten braucht es eine ganze Weile, bis sich die Amplitude nach einer Frequenzänderung wieder eingeschwungen hat, wird der Generator mit einem Stereo-Poti für R1 und R3 in der Frequenz regelbar ausgelegt.
Eine informative Übersicht ist in Linear Technology Application Note 43 ab Seite 29 [7] zu finden. Siehe dazu auch Überlegungen zu den Lampen in [8].
Referenzen
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Wien-Robinson-Br%C3%BCcke
[2] http://www.electronics-tutorials.ws/oscillator/wien_bridge.html
[3] http://www.users.on.net/~endsodds/twotones.htm
[4] https://www.heise.de/download/product/audioanalyser-23542
http://softsolutions.sedutec.de/
[5] http://www.dg8saq.darc.de/AudioMeter/index.shtml
[6] http://www.dc4ku.darc.de/NF-Doppeltongenerator%20mit%20Wien-Robinson-Bruecke.pdf
[7] http://www.linear.com/docs/4134
[8] http://www.moorepage.net/Lamps.html
[9] http://hpmemoryproject.org/wa_pages/wall_a_page_01.htm
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