3 S11-Reflexionsmessungen L und Q mit dem VNWA
Erstellt: DL6GL, 20.04.2022, letzte Änderung 27.06.2024
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Anders als mit dem in Abb. 1.2 gezeigten 100nF MMK-Kondensator werden in LC-Filtern im HF-Bereich Kondensatoren der Größenordnung von bis zu etwa 1nF eingesetzt. Mit NP0/COG-C's werden wir in Bezug auf Güte und Eigenresonanz keine unliebsamen Überraschungen erleben, insbes. mit SMD-Ausführungen. Sparen wir uns also deren Untersuchung. Ein Ausmessen wie in Abschnitt 2 beschrieben sollte reichen.
Mit Spulen ist es nicht ganz so einfach, für LC-Filter zumeist selbst gewickelte Amidon Eisenpulver-Ringkerne oder Luftspulen, oder für Übertrager und Baluns Ferrit Ring- oder Doppellochkerne. Auch Drosseln zum Abblocken von HF verdienen unsere Beachtung. Eine Drosselwirkung ist nur unterhalb der Eigenresonanz gegeben, und die ist oft überraschend niedrig.
Test-Fixture wie Abb. 2.1.
- VNWA für mindestens eine Stunde aufwärmen.
- Settings – Frequency Range – Linear Sweep:
Start 0.1, Stop 200 MHz für Amidon Eisenpulver-Ringkerne,
Stop 50MHz für Drosseln, ggf. niedriger.
- Settings – Diagrams – Display – Traces (Reihenfolge unerheblich):
Trace 1, S11, |Z|,
Trace 2: S11, Real Z
Trace 3: S11, Imag Z
Trace 4: S11, L--
Trace 5: S11, QL
Trace 6: S11, Phase (optional)
- Settings – Sweep: 600 Points, 50ms per Point.
- Settings – Average, Peak Hold,… - Smoothing, z.B. 10, ausprobieren,
Optional zum Ausbügeln der etwas verrauschen Q-Kurven (Trace 5).
- Measure – Calibrate – Cal Kit – Cal Kit File Manager: Ideal calibration standards.
- Measure – Calibrate: SOL-Calibration an TX Out
jeweils für die o.g. Frequenzbereiche.
Nachfolgend eine Auswahl von VNWA-Plots von Induktivitäten aus Tab. 2.2. Bei allen nachfolgenden Plots kennzeichnet Marker 7 die Resonanz-Polstelle.
Abb. 3.1: VNWA-Plot |Z|, Re Z, Im Z, L-- und QL: T37-2 14 Wdg.
Abb. 3.2: VNWA-Plot |Z|, Re Z, Im Z, L-- und QL: T68-2 20 Wdg.
Abb. 3.3: VNWA-Plot |Z|, Re Z, Im Z, L-- und QL: T68-10 20 Wdg.
Abb. 3.4: VNWA-Plot |Z|, Re Z, Im Z, L-- und QL: Neosid 32µH Drossel.
Abb. 3.5: VNWA-Plot |Z|, Re Z, Im Z, L-- und QL: Geloso 100µH Drossel.
| L (µH) | Q | Res | ||||
Spule | 1 MHz | 10 MHz | 30 MHz | 1 MHz | 10 MHz | 30 MHz | MHz |
T37-2 14t | 0,90 | 0,90 | 0,91 | 129 | 208 | 108 | 165,8 |
T68-2 20t | 2,42 | 2,43 | 2,64 | 166 | 277 | 111 | 101,6 |
T68-6 20t | 2,11 | 2,12 | 2,27 | 145 | 281 | 117 | 109,6 |
T68-10 20t | 1,48 | 1,47 | 1,54 | 103 | 244 | 166 | 135,0 |
| L (µH) | Q | Res | ||||
Drossel | 0,5MHz | 5 MHz | 10 MHz | 0,5 MHz | 5 MHz | 10 MHz | MHz |
Toroid 22µH | 22,49 | 19,22 | 11,83 | 71 | 1,8 | 1,1 | ??? |
SMCC 22µH | 22,38 | 23,91 | 32,66 | 64 | 76 | 32 | 16,7 |
Neosid 32µH | 32,09 | 33,46 | 40,15 | 64 | 63 | 39 | 21,6 |
SMCC 100µH | 99,32 | 327,19 | -53,87 | 87 | 73 | 13 | 5,9 |
Geloso 100µH | 107,8 | 112,3 | 192,5 | 24 | 15 | 8,7 | 14,0 |
Geloso 2,5mH | 2.860 | -812,20 | -133,45 | 27 | 3,1 | 5,0 | 2,4 |
Grüne Markierungen: Spezifikation nach Datenblättern erfüllt, rot: jenseits der Eigenresonanz.
Bemerkenswert ist die hohe Resonanzfrequenz der Geloso 100µH-Drossel im Vergleich zur SMCC 100µH-Drossel, ein Schätzchen aus der Röhrenzeit der 1960er. Sie besteht aus 3 getrennten (kapazitätsarmen) Kreuzwickeln, ist dafür aber 25mm lang. Sowas wirft man nicht weg.
Zur Absicherung der S11-Reflexionsmethode aus der zugegeben kleinen Stichprobe aus Tab. 2.2 und Tab. 3.1, 3.2 wurden noch die Messunsicherheiten in Abhängigkeit der jeweiligen Impedanzen |Z| untersucht. Vergleiche dazu den Ausschnitt aus dem VNWA Help zu Methode S11 (3) in der Einleitung.
Als Referenz wurden die Mittelwerte aus den mit AADE LC Meter und VNWA LCR Meter ermittelten Induktivitätswerten verwendet (Tab. 2.2). Abb. 3.6 zeigt die Abweichungen der bei 0,5, 1, 5, 10, 20 und 30 MHz gemessenen Induktivitäten der in Tab. 3.1 und 3.2 aufgeführten Induktivitäten von den zugehörigen Referenzwerten. Bei den Drosseln wurden nur Frequenzen kleiner als die halbe Resonanzfrequenz verwendet. Die Daten sind aus einem neuen Messzyklus (Anlage).
Abb. 3.6: Abweichungen (absolut) der gemessenen Induktivitäten aus S11 als Funktion von |Z|.
In dieser Stichprobe ergibt sich ein Messfehler < 2% für
- Amidon T-Kerne (0,9 bis 2,4µH) für einen |Z|-Bereich 3 bis 200Ω,
- Drosseln (22µH bis 2,8mH) für einen |Z|-Bereich 70 bis 700Ω,
jeweils weit vor der Eigenresonanz-Polstelle.
Das Ergebnis deckt sich nicht mit Abb. 0.2:
< 5% für |Z| zwischen 20 und 140Ω bzw. < 10% für |Z| zwischen 12 und 230Ω.
Insbesondere konnte hier der parabelförmige Anstieg der Fehlerrate bei Impedanzen << 50Ω nicht reproduziert werden, zumindest nicht bis |Z| ~ 3Ω.
Der Anstieg der Abweichungen oberhalb von 200Ω für Amidon T-Ringkerne bzw. oberhalb von 700Ω für die Drosseln ist im Vergleich mit den bei niedrigen Frequenzen ermittelten o.g. Referenzwerten von AADE LC Meter und VNWA LCR Meter begründet. Mit zunehmender Frequenz macht sich die ansteigende Flanke der Eigenresonanzen bemerkbar (Abb. 3.1 bis 3.5). Das gilt auch sinngemäß für die Auswertungen in Abb. 4.7 und 4.8 im Folgeabschnitt.
Fazit für die S11-Reflexionsmessungen zur Bestimmung der Induktivität:
- Der TX-Port wurde unter der Bedingung "Ideal calibration standards" (50Ω, keine Delays) mit SOL kalibriert.
- Die Messergebnisse für L waren
im Bereich |Z| = 3 bis 200Ω (Amidon T-Ringkerne),
im Bereich |Z| = 70 bis 700Ω (Drosseln)
akzeptabel mit einer Messunsicherheit < 2%.
- Weitere Bedingung: Messfrequenz weit unterhalb der Eigenresonanzfrequenz.
Ergänzung vom 09.04.2024
Diskussionen mit Werner, DC4KU, über seinen im März 2024 erschienen Artikel [6] zu RLC-Messungen mit dem NanoVNA forderten eine kleine Nachuntersuchung regelrecht heraus. Das vorläufige Ergebnis aus den oben beschriebenen S11-Reflexionsmessungen war, im offenbar geradlinigen unteren Teil der L- oder C-Plots, "ganz weit" unterhalb der Eigenresonanz die Induktivität oder Kapazität zu bestimmen. Die Spanne um die 50Ω-Impedanz des VNWA erschien im Gegensatz zu der recht scharfen roten Parabel in Abb. 0.2 recht weit auslegbar. Wo aber messen wir den "richtigen" Wert einer frequenzabhängigen Reaktanz, hier einer Induktivität? Aus Abb. 0.2, aus dem DG8SAQ VNWA-Help und aus Werner's Messungen liegt es auf der Hand: Bei der Frequenz, die den Betrag von Z,
möglichst nahe bei der VNWA-Systemimpedanz 50Ω ergibt. Hier ist die erreichbare Messgenauigkeit maximal. Mit der (ggf. auch nur annähernden) Gleichheit von Ausgangsimpedanz des VNWA und der Impedanz des Messobjekts liegt Anpassung mit maximaler Leistungsübertragung ohne Reflexionsverluste vor.
Diese Formel, nach ω bzw. der Frequenz f aufgelöst, die für eine Induktivität oder Kapazität die Sollimpedanz 50Ω ergibt, ist ein einem kleinen Excel-Sheet im Download programmiert. Damit lässt sich vorab der Scan-Bereich für den Netzwerkanalysator ermitteln.
Um die Messpräzision in Abhängigkeit von der Messfrequenz abzuschätzen, wurde ein T50-2 Ringkern mit 18 Windungen mit der Messanordnung nach Abb. 2.1 im Bereich 0,5 bis 10MHz, weit unterhalb der Eigenresonanz untersucht. Das AADE-LC-Meter wies eine Induktivität von 1,721µH aus.
Abb. 3.7: VNWA-Messung T50-2, 18Wdg, von 0,5 bis 10MHz.
Die aus S11 berechnete Induktivität "L--" (violett) verläuft im gesamten Frequenzbereich offensichtlich schnurgerade und waagerecht. Es wäre demzufolge gleichgültig, bei welcher Frequenz ein Messwert genommen wird. Könnte man meinen. Die auf zwei Nachkommastellen gerundeten Werte unterscheiden sich aber schon auf der zweiten Nachkommastelle (1,74 – 1,73 – 1,74µH, Marker 1 bis 3).
Der gewählte Scan-Bereich 0,5 bis 10MHz mit den Fehlerbreiten von ca. +/- 0,5% bezogen auf den Marker 2 sieht wohl überlegt aus. Das war reiner Zufall.
Mit Bedacht wurde zusätzlich die S11 Smith-Darstellung (blau) gewählt. Diese liefert mit dem Marker 2 den Bezugspunkt zur Smith Chart-Mitte (normiertes Z = 1, hier Z = 50Ω, für einen Reflexionsfaktor Γ=0, exakte Anpassung). Ermitteltes |Z| = 50,09Ω.
Bei der Vermessung von Kapazitäten würde sich ein ähnliches, nach unten in die kapazitive Hälfte geklapptes Bild im Smith-Chart zeigen.
Zunächst gibt die Spanne der auf zwei Nachkommastellen gerundeten Induktivitätswerte im VNWA-Plot wenig her. Die "Extended Marker Info" liefert mehr und "genauere" Werte, wohingegen bei den vier Nachkommastellen schon Zweifel angebracht sind. Dennoch, diese "genauen" Werte wurden in den nachfolgenden Auswertungen verwendet.
Abb. 3.8: VNWA Extended Marker Info.
Abb. 3.9: Auswertung von |Z| (rot) und L-ser (L--, blau) in 0,5MHz-Schritten.
Der VNWA-Plot (Abb. 3.7) wurde mit 4.000 Messpunkten aufgenommen, so dass die in Abb. 3.9 gezeigten Frequenzen ohne rechnerische Interpolation hinreichend genau getroffen wurden.
Die |Z|-Funktion verläuft optimal geradlinig, während die L--Kurve kleinere Ausreißer infolge der eher unsicheren vierten Nachkommastelle zeigt. Der Wert der |Z|-Gerade bei 50Ω kennzeichnet den optimalen Messpunkt für L--, hier 1,728µH bei 4,614MHz, vgl. auch Abb. 3.7.
Die gleiche Auswertung als prozentuale Abweichung vom genannten optimalen Messpunkt:
Abb. 3.10: Prozentuale Abweichung der L-Messwerte vom Wert für |Z| = 50Ω.
Die Genauigkeits-Parabel (Abb. 0.2) ist mit etwas Fantasie wieder zu erkennen. Die Eckpunkte für eine Abweichung von ~ 0,5% sind in Abb. 3.7 als Winkelabweichung von der Senkrechten auf den 50Ω-Mittelpunkt des Smith-Charts eingezeichnet. Zu niedrigeren Frequenzen hin ist die Toleranzbreite offenbar etwas größer, was auf die in Abb. 3.7 nicht erkennbare, dennoch vorhandene ansteigende untere Flanke der Eigenresonanz zurückzuführen sein sollte.
Insgesamt ist die Fehlerbreite von +/- 0,5% für den Messbereich von 0,5 bis 10MHz für die untersuchte Ringkern-Induktivität erstaunlich gering. Eine S11-Reflexionsmessung an Induktivitäten oder Kapazitäten mit einer Frequenz, für die die Bauteilimpedanz 50Ω +/- 20% beträgt, ist auf alle Fälle eine gute Idee.
Betrachten wir nochmal die vom AADE LC-Meter zu 1,721µH bestimmte Induktivität zusammen mit Abb. 3.9 und 3.10. Das AADE LC-Meter wird mit einer Frequenz in der Gegend von etwa 700kHz gemessen haben. Das ist ziemlich niedrig, aber volle Absicht, um Probleme mit der ansteigenden unteren Flanke der Eigenresonanz von vorneherein zu umgehen. Die Messung ergab aus Abb. 3.9, grob interpoliert, einen Wert von ca. 1.734µH. Knapp daneben ist auch vorbei. Aber: Abb. 3.10 weist hier einen Fehler von ca. 0,35% interpoliert im Vergleich zum ermittelten Referenzwert 1,728µH aus – immer noch sehr gut. Auch der direkte Vergleich - 1,721μH (AADE LC-Meter) zu 1,728μH ("bester" VNWA-Wert) - ist mit 0,4% Abweichung zufriedenstellend. Ein paar Tage später mit längerer Vorwärmzeit des LC-Meters nachgemessen: 1,724μH, damit respektable Abweichung von nur noch 0,23%. Was, zusammen mit den Ergebnissen aus Abschnitt 2, den Schluss erlaubt, dass ein LC-Meter wie das von AADE mit seiner einfachen Bedienung hinreichend genaue Ergebnisse für den Amateurbereich liefert.
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