5 Besondere Betrachtung der Güte QL
Erstellt: DL6GL, 20.04.2022, letzte Änderung
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Nicht möglich hier ist ein Vergleich der nach der S11- und der S21-Methode des VNWA gemessenen Güten QL mit Referenzwerten. Von Amidon (Hersteller Micrometals) gibt es zwar Q-Kurven, die beste im Netz gefundene Kopie ist von 1997 [5], jedoch nicht für alle verwendeten Kerne und die hier verwendeten Windungszahlen. QL ist auch abhängig von der Windungszahl und der Drahtstärke.
Abb. 5.1: Beispiel-Plot von QL-Kurven, u.a. T37-2, Quelle: [5].
Gütemessungen mit der S21-Methode ohne Abschwächer erwiesen sich als unzuverlässig, vgl. Abb. 4.5. Verbleiben also die S11- und die S21-Methode mit 10dB-Abschwächer. Wenn wir deren Aussagekraft anhand der wenigen Herstellerangaben aus [5] bemessen wollen, bleibt nur der Offenbarungseid.
QL-Werte | Messung | 5MHz | 10MHz | 20MHz |
T37-2, 14t | S11 | 195 | 192 | 144 |
T37-2, 14t | S21 (10dB) | 180 | 205 | 192 |
T37-2, 12t | Micrometals | 134 | 132 | 122 |
T37-2, 16t | Micrometals | 151 | 159 | 116 |
T68-6, 20t | S11 | 258 | 231 | 149 |
T68-6, 20t | S21 (10dB) | 361 | 547 | 826 |
T69-6, 23t | Micrometals | 268 | 330 | --- |
T68-10, 20t | S11 | 224 | 254 | 230 |
T68-10, 20t | S21 (10dB) | 209 | 396 | *) |
T68-10, 15t | Micrometals | 135 | 164 | 164 |
T68-10, 30t | Micrometals | 103 | 176 | --- |
*) Anmerkung zu T68-10: QL zeigte einen Doppelpeak vergleichbar mit Abb. 4.5 mit negativen Real Z-Werten oberhalb 10MHz.
Die Messwerte S11 und S21 mit 10dB-Abschwächer sind auch nicht mit viel Fantasie zur Deckung zu bringen. Hier wären wohl ausgefeiltere Mess- und Kalibrierungsmethoden [1], [2] angebracht. Auch passen sie kaum zu den Herstellerangaben aus den Plots [5] von 1997. Zumindest denkbar wäre, dass die Daten infolge Rezepturänderungen inzwischen obsolet sind.
Vergleichen wir noch die VNWA-Messungen nach der S11- und der S21 + 10dB-Methode.
QL-Werte | 0,5MHz | 1MHz | 5MHz | 10MHz | 20MHz | |||||
S11 | S21 | S11 | S21 | S11 | S21 | S11 | S21 | S11 | S21 | |
SMCC 22µH | 51 | 40 | 65 | 48 | 47 | 38 | 28 | 23 | --- | --- |
Neosid 32µH | 58 | 33 | 78 | 41 | 66 | 41 | 43 | 29 | --- | --- |
SMCC 100µH | 91 | 64 | 103 | 70 | --- | --- | --- | --- | --- | --- |
Geloso 100µH | 22 | 24 | 19 | 18 | 14 | 16 | --- | --- | --- | --- |
Geloso 2,5mH | 39 | 41 | 34 | 30 | --- | --- | --- | --- | --- | --- |
T37-2 14t | 143 | 108 | 143 | 108 | 195 | 180 | 193 | 205 | 145 | 292 |
T68-2 20t | 188 | 124 | 188 | 124 | 259 | 252 | 231 | 385 | 149 | 480 |
T68-6 20t | 180 | 249 | 180 | 249 | 258 | 361 | 249 | 547 | 166 | 825 |
T68-10 20t | 150 | 102 | 150 | 102 | 225 | 209 | 254 | 396 | 230 | --- |
Auch hier kann das Ergebnis nicht zufriedenstellen. Die halbwegs übereinstimmenden Messwerte sind grün markiert. Das sind eindeutig zu wenige. Die Gütebestimmung mit diesen einfachen Messmethoden ist mit Vorsicht zu genießen.
Eine Möglichkeit gibt es noch. So schnell hat der VNWA sein Pulver nicht verschossen. Wir lassen den Transmissionsadapter noch angeschlossen, nun jedoch ohne die 10dB-Abschwächer. Wenn wir, statt uns die bauteilbedingte Eigenresonanz anzusehen, die Spulen mit einem (guten) Kondensator zu einem Schwingkreis ergänzen, können wir aus der Form der Resonanzkurve die Güte bestimmen.
Ein Parallelschwingkreis mit einer verlustbehafteten Spule zeigt eine glockenförmige Resonanzkurve mit einem Minimum bei der Resonanzfrequenz in der S21-Transmissionsmessung. Deren Bandbreite B wird hauptsächlich durch den Verlustwiderstand der Spule (Abb. 1.4) bestimmt. Ein "guter" Kondensator, z.B. NP0/COG, fällt dabei nicht ins Gewicht.
Die Güte Q ergibt sich dann zu
Die Resonanzfrequenz f0 ist (taschenrechnertauglich)
Der Transmissionsadapter (Abb. 4.1) kann bei Bedarf um eine zweite Leiterplattenklemme für das C erweitert werden. L und C lassen sich aber auch auf eine zweipolige Stiftleiste (RM 2,54mm) löten. Die passt in die Leiterplattenklemme.
VNWA-Einstellungen zur Messung von QL aus der Resonanzkurve:
- VNWA für mindestens eine Stunde aufwärmen.
- Settings – Frequency Range – Linear Sweep:
Center frequency ~ Resonanzfrequenz,
Span ca. 100 bis 200 kHz.
- Settings – Diagrams – Display – Traces:
Trace 1, S21 dB
- Rechtsklick in das Hauptfenster: Clear all Markers (falls noch welche stehen).
- Rechtsklick in das Hauptfenster: Realtime Expression Evaluator – Start,
-
Abb. 5.2: Q-Plot Expression.
Expression: (0.5*(m(2)+m(3)))/(m(3)-m(2))
m(2): Marker 2 auf der unteren 3dB-Frequenz (s. Abb. 5.3)
m(3): Marker 3 auf der oberen 3dB-Frequenz
Zähler: Mittelwert der 3dB-Frequenzen = Resonanzfrequenz (Mitte der Resonanzkurve)
Nenner: Differenz der 3dB-Frequenzen = Bandbreite. -
Rechtsklick in das Hauptfenster: Add Frequency Marker – Bandwidth – Bandstop
"Bandstop" für die umgekehrte Glockenkurve.
Es wird eine Gruppe mit 4 Zeilen 1 …4 angezeigt (Abb. 5.3 unten). -
Rechtsklick dort hinein: Set Bandwidth Level ⇒ Bandstop Level 3dB, OK.
-
Settings – Sweep: 600 Points, 50ms per Point.
-
Settings – Average, Peak Hold,… - Smoothing, z.B. 10, ausprobieren,
Optional zum Ausbügeln der Resonanzkurve. -
Measure – Calibrate – Cal Kit – Cal Kit File Manager: Ideal calibration standards.
-
Measure – Calibrate: (Nur) Thru-Calibration mit Kurzschlussbügel im Transmissionsadapter.
Abb. 5.3: QL-Sweep Amidon T68-2 (2,45 µH)+100pF, Ergebnis: QL=205.
Um die Resonanzkurve auszurichten, Doppelklick auf die dB-Divisions-Anzeige links oben,
dB/Div und Reference Position entsprechend anpassen. Ggf. mit Average die Kurve etwas glätten.
QL-Werte | 1MHz | 10MHz | ||||
S11 | S21 | Res | S11 | S21 | Res | |
SMCC 22µH | 65 | 48 | 52 | |||
Neosid 32µH | 78 | 41 | 67 | |||
SMCC 100µH | 103 | 70 | 191 | |||
Geloso 100µH | 19 | 18 | 17 | |||
T37-2 14t | 193 | 205 | 218 | |||
T68-2 20t | 231 | 385 | 205 | |||
T68-6 20t | 249 | 547 | 234 | |||
T68-10 20t | 254 | 396 | 317 |
Mit geeigneten C's wurden die Resonanzfrequenzen auf etwa 1MHz (Drosseln) und 10MHz T-Ringkerne für den Vergleich eingestellt. Die Resonanzkurven waren bei den für solche Zwecke vorgesehenen Amidon T-Ringkernen wie erwartet glockenförmig (Abb. 5.3). Die Resonanzkurven der Drosseln waren S-förmig.
Fazit zur Bestimmung der Güte QL mit dem VNWA:
- Das Ergebnis aus den drei Messmethoden ist uneinheitlich. Welche davon nun "richtige" Werte liefern, konnte mangels Vergleichsmöglichkeiten nicht eindeutig festgestellt werden.
- Im Hinblick auf eine simple Messmethode mit einer vollständigen SOL-Kalibrierung liefert das S11-Reflexionsverfahren mit der Beschränkung auf "kleine" Induktivitäten mit einem |Z| bis zu einigen 100Ω zumindest Anhaltspunkte zur Orientierung.
- Wenn es das S21-Transmisionsverfahren für größere Induktivitäten sein soll, ist man für die QL-Bestimmung mit beidseitig mindestens 10dB-Abschwächern i.a. auf der sicheren Seite, was "vernünftig" aussehende Werte angeht.
- Einen Schwingkreis herzustellen, um daraus bei einer wählbaren Resonanzfrequenz die Güte QL zu ermitteln, bedeutet zusätzlichen Aufwand. Die dahinterstehende Idee, QL aus der 3dB-Bandbreite zu berechnen, ist nachvollziehbar und erscheint vertrauenswürdig. Zu beachten ist dabei jedoch, dass man insbesondere bei Drosseln weit unterhalb deren Eigenresonanz bleiben muss.
Wenn wir aber mal davon losgelöst überlegen, wofür wir Aussagen über die Güte von Induktivitäten tatsächlich brauchen, reduziert sich das doch im Wesentlichen auf Eisenpulver-Ringkerne in Filtern. Hier würde sich bei der Auslegung etwa mit Elsie Filter Design mit der Angabe von QL die Auswirkung auf die Flankensteilheit und die Einfügedämpfung beurteilen lassen. Mit einfachen Methoden wie hier ermittelte Schätzwerte sollten dafür ausreichen, wenn nicht gleich Daumenwerte, etwa 100 bis 200, verwendet werden. Bei Ferrit-Drosseln genügen neben der Eigenresonanz auch nur Schätzwerte für QL, um die gewünschte Drosselwirkung zu beurteilen.
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