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Amateurfunk verbindet die Welt

4 S21-Transmissionsmessungen L und Q mit dem VNWA

Erstellt: DL6GL, 20.04.2022, letzte Änderung 

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Bevor wir uns an die alternative Messmethode mittels S21-Transmission heranmachen, sei noch einmal unser Anliegen verdeutlicht. Wir wollen mit überschaubarem Aufwand ermitteln, ob die für den jeweiligen Einsatz vorgesehenen Induktivitäten (halbwegs) die geforderten Werte für L, Q und Eigenresonanzfrequenz haben. Exakte Daten, für die dann aber verfeinerte Messprozeduren (z.B. [1] bis [4]) heranzuziehen wären, sind dabei nicht Bedingung. Der Einbau in die Zielumgebung wird die gemessenen Eigenschaften ohnehin wieder verändern. Bei Filtern etwa werden wir die Responsekurven sicher nachmessen und, wenn nötig, z.B. die Wicklungen behutsam stauchen oder dehnen, bis es passt. Das geht mit Ringkernspulen ebenso wie mit Luftspulen. Wir beschränken uns hier also pragmatisch auf "simple and stupid", wie es Tom, DG8SAQ, in [3], drittes Zitat vorschlägt. Hinweise dazu im Help, Seite 383, mahnen allerdings zur Vorsicht, siehe auch Abb. 0.2.

Wie es genauer, dafür aber wesentlich aufwendiger geht, ist in [1] und [2] beschrieben.

Für die Transmissionsmessungen basteln wir uns einen Adapter aus SMA-Flanschbuchsen und einer zweipoligen Leiterplattenklemme, SMA-Mittelpins und Klemmenpins miteinander verlötet. Das hat mit sauberer 50Ω-Technik nur noch entfernt zu tun. Um es einfach zu halten, wollen wir aber mal nicht kleinlich sein.

VNWA-LCQ S21-Adapter

Abb. 4.1: Transmissionsadapter mit Leiterplattenklemme.

Test-Fixture: Abb. 4.1, vergleiche Abb. 0.1 rechts.

VNWA-Einstellungen zur Messung von Z, L und Q:

  • VNWA für mindestens eine Stunde aufwärmen.

  • Settings – Frequency Range – Linear Sweep:
    Start 0.1, Stop 200 MHz für Amidon Eisenpulver-Ringkerne,
    Stop 50MHz für Drosseln, ggf. geringer.

  • Settings – Diagrams – Display – Traces (siehe hierzu Abb. 4.2):
    Trace 1, t2s, |Z|,
    Trace 2: t2s, Real Z
    Trace 3: t2s, Imag Z
    Trace 4: t2s, L--
    Trace 5: t2s, QL
    Trace 6: S21, Phase

  • Settings – Sweep: 600 Points, 50ms per Point.

  • Settings – Average, Peak Hold,… - Smoothing, z.B. 10, ausprobieren,
    Optional zum Ausbügeln der etwas verrauschen Q-Kurven (Trace 5).

  • Measure – Calibrate – Cal Kit – Cal Kit File Manager: Ideal calibration standards.
  • Measure – Calibrate: (Nur) Thru-Calibration mit Kurzschlussbügel im Transmissionsadapter.

VNWA-LCQ VNWA T2S-Traces

Abb. 4.2: Einstellen der Custom Traces t2s.

Die Funktion "t2s" rechnet die S21-Transmission in eine S11-Reflexion um. In älteren VNWA Softwareversionen muss als "Expression" die Umrechnungsformel "(3*S21-2)/(S21-2)" explizit eingegeben werden. Die Definition von t2s als Custom1 muss nur einmal für Trace 1 (|Z|) gemacht werden. In den folgenden Traces 2 bis 5 genügt die Auswahl "Custom1". Trace 6, S21 Phase, ist nötig, um überhaupt einen Sweep zu erzeugen. Danach kann die Anzeige deaktiviert werden. Zur Lokalisierung der Eigenresonanz könnte der Nulldurchgang der Phase jedoch auch herangezogen werden.

Mit der rudimentären Thru-Kalibrierung bewegen wir uns aber auf dünnem Eis.

VNWA-LCQ VNWA Impedanzen

Abb. 4.3: Unsichere Impedanzverhältnisse im VNWA.

Die zur Kalibrierung gesetzten "Ideal calibration standards" mit (exakt) Z=50+j0 Ω sind Wunschdenken. Sowohl Rout als auch Rin werden davon mehr oder weniger abweichen. Nur wenn Z-DUT hinreichend groß ist, wird der Strom durch ihn genügend Spannungsabfall und Phasenverschiebung bei geringem Spannungsverlust an Rout erzeugen, so dass die Ungenauigkeiten von Rout und Rin weniger Auswirkungen haben. Aber sehen wir uns das erst einmal an.

VNWA-LCQ S21-Messung Neosid 32uH ohne Abschwächer

Abb. 4.4: S21-Messung Neosid 32µH ohne Abschwächer.

Die Messergebnisse für L (S21) unterscheiden sich bei der Neosid-Drossel um <2% von L (S11, Abschn. 3). Die Werte der Güte QL weichen aber stärker ab. Davon mehr weiter unten.

VNWA-LCQ S21-Messung Amidon T68-2 ohne Abschwächer

Abb. 4.5: S21-Messung Amidon T68-2 ohne Abschwächer.

Die Messergebnisse für L (S21) unterscheiden sich bei dem T68-2-Ringkern um <1% von L (S11, Abschn. 3). Bei der Güte QL gibt es ein Problem mit zwei Peaks und einer wannenförmigen Vertiefung dazwischen. Im Bereich dieser "Wanne", Marker 5, 6, 8 und 9, wird Real Z negativ gemessen. Das kann nicht sein. Hier versagt die S21-Messung.

Wenn wir nun mit hinreichend großen 50Ω-Abschwächern, hier 10dB, den TX- und RX-Ports 50Ω-Impedanzen (annähernd) aufzwingen, sollten die in Abb. 4.3 aufgezeigten Verhältnisse halbwegs geordnet werden können. Das mit der Signaldämpfung in Kauf zu nehmende Rauschen in der Q-Kurve lässt sich mit der Average-Funktion wieder etwas glatt bügeln. Wir führen eine neue S21-Kalibrierung der Messanordnung mit je einem 10dB-Abschwächer an den Enden des Transmissionsadapters durch.

VNWA-LCQ S21-Messung Amidon T68-2 mit 10dB-Abschwächer

Abb. 4.6: S21-Messung Amidon T68-2 mit 10dB Abschwächer.

Die Messergebnisse für L sind nahezu identisch. Die Messung von QL erscheint nun plausibel (geglättet mit Average über 10 Punkte).

Eine zusammenfassende Darstellung aller Messergebnisse zur Bestimmung von L zeigen die nachfolgenden Abbildungen.

VNWA-LCQ S21 Fehlerspektrum ohne Abschwächer

Abb. 4.7: Abweichungen (absolut) der gemessenen Induktivitäten aus S21 ohne Abschwächer.

VNWA-LCQ S21 Fehlerspektrum mit 10dB-Abschwächer

Abb. 4.8: Abweichungen (absolut) der gemessenen Induktivitäten aus S21 mit 10dB Abschwächer.

Die Ergebnisse sind kaum zu unterscheiden, jedoch ist die Streuung bei den Messungen mit Abschwächer etwas geringer. Wie in Abb. 3.6 (S11-Messungen) wurden bei den Drosseln nur die Frequenzen unterhalb der halben Selbstresonanz berücksichtigt.

Fazit bis hierher:

  1. Die Messung von Induktivitäten mit dem VNWA ist sowohl über die S11-Reflexion als auch über die S21 Transmission (mit interner Umrechnung in Reflexion) in einem weiteren Bereich möglich, als es die Hinweise im VNWA-Help vermuten lassen. Die Ergebnisse decken sich weitgehend.

  2. Üblicherweise in HF-Filtern verwendete Eisenpulver-Ringkerne mit bis zu wenigen µH:
    Abweichung um < 2% in einem Bereich von |Z| von ~2 bis 200Ω von den mit einem LC-Meter oder dem VNWA LCR-Meter mit Frequenzen < 1MHz gemessenen Werten.

  3. Untersuchte Drosseln 22µH bis 2,5mH:
    Abweichung um < 2% in einem Bereich von |Z| von ~70 bis 700Ω, sofern die Messfrequenz deutlich unterhalb der Selbstresonanz liegt.

  4. Die Eigenresonanzen lassen sich mit beiden Methoden (S11 oder S21) einfach bestimmen. Dabei ist die einfachere S11-Messvorrichtung mit SOL-Kalibrierung vorteilhafter.

  5. Die S21-Messung ohne Impedanzanpassung mit hinreichend großen Abschwächern wirft Probleme bei der Gütebestimmung auf infolge Unsicherheiten in Bezug auf die Impedanzen von TXout und RXin mit entsprechenden Messfehlern. Dies soll abschließend untersucht werden.


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